Markus Sittikus Fürsterzbischof und Bauherr
Erst mit Erzbischof Markus Sittikus von Hohenems tritt Hellbrunn aus dem Dunkel der Geschichte. Wir haben aber kaum archivalische Quellen zu Hellbrunn, keine Aussagen des Bauherrn und auch keine seines Zeitgenossen außer jener Beschreibung des Hochfürstlichen überaus fiertröflichen LustOrths Hellebrunn genannt des Chronisten und Sekretärs des Erzbischofs, Johann Stainhauser. Stainhauser war aber zu ungebildet und auch zu wenig interessiert um uns Differenzierteres als eine trockene Beschreibung zu hinterlassen, die überall zeigt, wie wenig er eigentlich zu sagen hat. Nicht einen Künstler nennt er uns, nicht einmal den Namen des Dombaumeisters erfahren wir von ihm.
Eine derartige Quellenlage erzeugt Vermutungen und Mythen, die sich, je öfter geäußert, zu angeblichen Gewissheiten verdichten. Auf einige wollen wir hinweisen, einige Fragen stellen. War Markus Sittikus ein Medici? Wurde er in Italien erzogen und wie war seine Ausbildung? Aus welchen Werken bestand seine Bibliothek? Woher hatte er seine Anregungen? Kennt man sein Itinerar, seine Reisen, Aufenthaltsorte und Kontaktpersonen? Wie lange dauerte sein römischer Aufenthalt? Wenn man sich das Urteil Herzog Maximilians von Bayern nach seiner Wahl zum Erzbischof vor Augen hält, dass er zu wenig im Kopf habe und auch nit gestudirt sey, so muss man sehr an einer sogenannten humanistischen Bildung zweifeln und skeptisch gegenüber allen Aussagen sein, Markus Sittikus hätte ein „Programm“ für Hellbrunn entworfen oder gar nur präzise Vorstellungen gehabt. Von der genauen Beantwortung dieser und anderer Fragen hängt die Beurteilung Hellbrunns ab, denn, wenn wir ehrlich sind, den „Text“ Hellbrunns können wir trotz zahlreicher Einzeluntersuchungen noch nicht lesen, nur sozusagen buchstabieren.
Markus Sittikus Jugend und Erziehung
Markus Sittikus wurde 1574 in Hohenems geboren, seine Mutter Hortensia beschrieb ihn gegenüber seinem um ein Jahr älteren, jähzornigen Bruder Kaspar als „dolce“. Bereits als Vierjähriger verlor er die Mutter und wurde vom Hofkaplan des Kardinals Carlo Borromeo, Bartolomeo Bedra, erzogen. 1582 kam er als Achtjähriger mit seinem Bruder Kaspar nach Mailand an das Collegio dei Nobili und in die Obhut seines Onkel, des Kardinals Carlo Borromeo, der den Priester Girolamo Mazza als seinen Mentor bestimmte. Markus Sittikus zeigte, wohl durch den tiefen Eindruck den der Onkel, der 1610 heilig gesprochen wurde, auf ihn gemacht hatte, Bereitschaft, den geistlichen Beruf zu ergreifen; er war fromm, höfl ich und hatte gute Manieren. 1584 ging er in Begleitung seines Erziehers Bartolomeo Bedra und seines Mentors Girolamo Mazza nach Rom zu seinem Onkel, dem Kardinal Marco Sittico Altemps und studierte ab 1585 am Collegium germanicum bereits als 11-jähriger; 1586 erhielt er die vier niederen Weihen. Schon nach eineinhalb Jahren brach er das Studium am Collegium ab und ging in die Heimat zurück. Ein Grund soll sein Mentor gewesen sein, dem angeblich das Klima Roms nicht behagte. Eher wird es aber wohl die Wahl seines Vetters Wolf Dietrich zum Erzbischof von Salzburg gewesen sein, weil dadurch dessen Kanonikat, die Domherrenstelle in Konstanz frei geworden war, die nun Markus Sittikus erhielt und die natürlich mit Einkünften verbunden war. Ausgestattet mit diesen Konstanzer Pfründen ging Markus Sittikus an die Jesuitenuniversität nach Ingolstadt und studierte dort die Humaniora und Latein. Als 15-jähriger erhielt er zusätzlich Erzbischof Wolf Dietrichs Salzburger Kanonikat, 1589 wurde er auch noch Domherr in Augsburg; diese Anhäufung von Domherrenstellen war möglich, weil die jeweilige Anwesenheitspflicht auf wenige Monate beschränkt war. 1591 begann er ein Jusstudium in Bologna, von einem Abschluss ist aber nichts bekannt. 1593 bis Mitte 1594 hielt er sich in Spanien auf und versuchte am Hof in Madrid offene Soldzahlungen seines 1587 verstorbenen Vaters einzutreiben; wegen der hohen Kosten des Aufenthaltes verließ er aber Spanien vorzeitig. Markus Sittikus war reiselustig und ständig in Geldverlegenheit, sein Vetter Wolf Dietrich half weiter, besorgte ihm Salzburger Benefizien, stellte ihm eine Monatsrente aus und ernannte ihn zum diplomatischen Vertreter Salzburgs an der Kurie. Er wurde Ehrenkämmerer Papst Klemens VIII. und war dem Papstnepoten, dem Verwandten und Günstling, dem Staatssekretär Pietro Aldobrandini freundschaftlich verbunden. 1601 bewohnte er die durch ihre Wasserspiele berühmte Villa Aldobrandini in Frascati, ganz in der Nähe lag die Villa Mondragone seines Onkels, des Kardinals Marco Sittico Altemps, auch sie berüchtigt für ihre Wasserscherze.
Markus Sittikus wird Erzbischof von Salzburg
Im Jahr 1612 wurde Markus Sittikus, in einer raschen Prozedur zum neue Erzbischof gewählt. Sein Vorgänger und Cousin Erzbischof Wolf Dietrich war in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem bayerischen Kurfürsten um das Salz und wegen der Besetzung Berchtesgadens gefangen genommen und abgesetzt worden. Markus Sittikus galt als Halbitaliener und erregte deshalb kaum politischen Widerstand, dem Domkapitel war er zudem vom Kardinal Aldobrandini empfohlen worden. Er trat kein leichtes Erbe an, der bayerische Kurfürst verlangte von ihm die Bezahlung der Kriegskosten, den Beitritt zur katholischen Liga und forderte außerdem, er solle von aller überflüssigen Hofhaltung absehen. War Wolf Dietrich, kirchenrechtlich gesehen, zunächst Gefangener des Papstes auf Hohensalzburg gewesen, so musste nun Markus Sittikus die Verantwortung für die Gefangenschaft seines Verwandten tragen. Er hat seinen Vetter, der 1617 in der Kerkerhaft starb, nur um zwei Jahre überlebt.
Der Architekt und die Künstler
Noch im Jahr seiner Wahl berief er Santino Solari (1576-1646), einen Oberitaliener aus dem Intelvi-Tal, hoch oben über dem Comersee, an der Grenze zur Schweiz gelegen, zum Dombaumeister. 1614 wurde der Grundstein zur neuen Kathedrale gelegt: der Neubau war bis zu den Dächern der Konchen und der Seitenschiffe gediehen, als Markus Sittikus 1619 starb – "kaum zum Dache gelangt, musste ich schon in die Grube steigen" sagt die Grabinschrift. An der Bauplastik der Domfassaden ist der Baufortschritt unter Markus Sittikus gut abzulesen, die Konchen, die Seitenapsiden, tragen im Scheitel große Wappenschilde mit dem Hohenemser Steinbock und dem Salzburger Löwen, die sich umarmen. In beiden Geschossen der Hauptfassade findet sich sein Wappentier, der Steinbock, als Schmuckelement, doch nach Ausweis der bildlichen Darstellungen wurde unter ihm nur das untere fertiggestellt. Schon in seinem ersten Frühling als Erzbischof, 1613, begann Markus Sittikus mit dem Bau der „Villa Suburbana“ von Hellbrunn, 1615 war die Anlage in den wesentlichen Teilen vollendet. Wir besitzen keine Baupläne und keine Bauakten, die uns genauere Aufschlüsse über Bauplanung und Baufortschritt geben könnten. Aber wir haben zwei prachtvolle Gemälde mit zuverlässigen Darstellungen des Gartens aus den Jahren 1618 und 1619 – die zwei Porträts des Markus Sittikus, die Mascagni zugeschrieben werden, das ältere im Schloss, das jüngere in der städtischen Galerie in Polika, Tschechien. Außerdem existiert ein großer Kupferstich, ein Unikat, der die gesamte Anlage in ihrem ursprünglichen Bestand dokumentiert und der ebenfalls in die Zeit der Fertigstellung, etwa um 1620 datiert werden muss. Wir können sicher sein, dass als Architekt und vielleicht auch als Bildhauer Santino Solari tätig war, denn er wird als statuarius idem et architectus, sowohl als Bildhauer als auch als Architekt tituliert, der Paläste und Gärten mit steinernen Statuen geschmückt habe. Fra Arsenio Mascagni (ca. 1570-1637), ein Servitenmönch aus Florenz, war der Schöpfer der malerischen Ausstattung des Schlosses und ein Fra Gioachino kommt in den Rechnungen als Brunnmeister vor, er könnte der Hydrauliker, der Wassertechniker, gewesen sein, der für die Technik der Automaten und Pumpanlagen verantwortlich war. Als Bildhauer werden Hieronymo Preosto und Bernardo Zanini genannt, doch außer ihrem Gehalt wissen wir nichts von ihnen. Während wir von diesen Bildhauern die Namen kennen, ihnen aber keine Statuen zuweisen können, weil uns ihre bildhauerische Handschrift unbekannt ist, können wir dem bedeutenden Bildhauer Hans Waldburger (1570-1630) zahlreiche Figuren mit Sicherheit zuschreiben, obwohl kein schriftliches Dokument erhalten ist. Ähnlich verhält es sich mit dem Bildhauer Hans Conrad Asper (um 1588-1666) aus Konstanz, von dessen Tätigkeit in Hellbrunn kein schriftliches Dokument berichtet, der aber ebenfalls mit einige Figuren in Verbindung gebracht werden kann.
Auszug aus:
Hellbrunn - Schloss, Park und Wasserspiele von Dr. Wilfried Schaber
Herausgeber: Schlossverwaltung Hellbrunn